In meinem ersten Beitrag habe ich das Konzept eines Design Sprint Workshops allgemein beleuchtet. Nun will ich darauf eingehen, wie wir bei Guid.New das Instrument für uns erprobt und unsere Learnings daraus gezogen haben.
Design Sprint: Mehr als nur ein trending Buzzword?!
Zugegeben, Design Sprints wurden sehr gehypte in den letzten Jahren. Doch Trend hin oder her, unserer Meinung nach sind sie ein sehr nützliches Werkzeug, um konzentriert und zielgerichtet zu arbeiten. Es geht darum die an einem Projekt beteiligten Personen an einen Tisch zu bringen, Ideen zu priorisieren, aktiv zu werden und Dinge umzusetzen. Design Sprints sind ein kreativer und effektiver Weg, Lösungen zu erarbeiten – ganz ohne endlose Diskussionen.
Wie haben wir bei Guid.New den Design Sprint Workshop für uns genutzt?
Meine beruflichen Wurzeln liegen in einem Startup, bei dem Design Sprints wöchentlich praktiziert wurden. Nun haben wir das Konzept Design-Sprint-Workshop anhand des Kundenprojektes „neues Feature/bestehende Erweiterung für DiKu von Opticon“ auch für Guid.New einer Praxisprobe unterzogen. Der Teambuilding-Aspekt stand dabei für uns im Vordergrund und ganz nebenbei entstanden wertvolle Inputs für die Weiterentwicklung der DiKu App. In einem bewusst auf zwei Tage reduzierten Workshop, wurden Kreativtechniken erprobt und neue Denkansätze entwickelt.
Der Ablauf - so haben wir die zwei Workshoptage gestaltet
Schritt eins, Präsentation der Sprint Challenge und das Ziel verstehen
Zu Beginn des Workshops gilt es alle Beteiligten auf denselben Wissensstand zu bringen. Gemeinsam haben wir einen Plan für die zwei Workshoptage entwickelt, um das Team auf die bevorstehende Arbeit zu fokussieren und einzuschwören. Noch vor Sprintbeginn definiert der Facilitator (Ein Moderator, der die Zielerreichung einer Gruppe begleitend unterstützt.) die Sprint Challenge. Diese bildet die Basis für den Sprint und muss von jedem Teilnehmer verstanden werden.
Lightning Talks & „How Might We’s“ (HMWs)
Die sogenannten „Lightning Talks“ der Schlüsselpersonen geben Einblicke in das Projekt aus technischer und wirtschaftlicher Sicht. Nun werden Aspekte wie die Projekt-Vision und das Business Goal erläutert und wir alle nehmen die Sicht des Users ein. Alle Teilnehmer machen sich Notizen, um die Schlüsselinformationen für sich selbst festzuhalten und daraus in weiterer Folge dann Lösungsvorschläge ableiten zu können.
In Form der (gleichzeitig mit den Lightning Talks stattfindenden) “How Might We’s“ werden Dinge hinterfragt. Aus den erstellten Notizen leitet jeder Teilnehmer für sich Fragestellungen ab. Hierbei geht es um die persönlichen Ideen jeder einzelnen Person und die individuelle Sicht auf die Problemstellung. Es gilt festzuhalten, bei den HMWs geht es nicht um Lösungsvorschläge, sondern darum, noch nicht geklärte Dinge aufzuzeigen. Die Herausforderung bei den HMWs besteht darin, diese möglichst konkret, aber auch offen genug zu formulieren, um daraus mehrere Lösungen ableiten zu können.
Beispiel für ein HMWs: “How might we allow the opticians to quickly assign a bunch of products to customers easily?”
Im nächsten Schritt klebt jeder Teilnehmer seine - zuvor auf Post-its notierten - HMWs auf ein Flipchart und stellt diese kurz vor. Im Zuge des nun folgenden HMW-Mappings, werden diese thematisch gruppiert. Abschließend werden die HMWs gevotet, jedes Mitglied hat drei Punkte zu vergeben, um die besten Möglichkeiten für den User zu identifizieren.
User Journey Maps
Jetzt werden Schritt für Schritt die Erfahrungen des Users entlang aller Berührungspunkte mit der Anwendung festgehalten. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Motivation und die Bedürfnisse des Nutzers gelegt. So bilden wir ab, wie und wo der User die Applikation benutzen wird. Der Hauptnutzen dieser „Übung“ ist, dass jedes Teammitglied sieht, wie und wo Einflüsse entstehen können. Beispielsweise im Freien bei Sonnenlicht oder Indoor auf einem großen Monitor. Wie viel Zeit hat der User, um seine Handlungen am Computer zu verrichten, was macht er währenddessen sonst noch. Oder wartet vielleicht jemand auf die Eingabe im System?
Gestartet wird dort, wo der User zum ersten Mal einen Need verspürt. Anschließend werden die zuvor gevoteten HMWs an passenden Stellen der Journey platziert.
Define Success and Set Goals – Ziele festlegen und deren Messung bestimmen
In dieser Phase werden Ziele anhand der zuvor geführten HMW Diskussion definiert. Welche Schlüsselmomente haben den größten Einfluss? Gemeinsam entscheiden wir, was unsere Success Metrics sind, wie stellt sich Erfolg dar? Woran merken wir, dass wir mit der gefundenen Lösung erfolgreich sind? Wie messen wir unseren Erfolg, brauchen wir dazu vielleicht ein neues Verfahren zur Erfolgsmessung?
Crazy 8’s - Share & Vote
Ganz nach dem Motto „quick and dirty“ geht es bei den Crazy 8’s darum, in nur 8 Minuten, 8 Ideen zu Papier zu bringen. Dafür muss lediglich ein A4 Papier dreimal so gefaltet werden, dass wir 8 Felder bekommen. In jedes der Felder kommt die Skizze einer Idee. Jetzt geht es ausnahmsweise mal um Quantität und nicht um die Qualität der zeichnerischen Leistung.
Im Anschluss stellt jeder seine Ideen vor, dazu werden die Skizzen auf ein Whiteboard gepinnt und jeder hat drei Minuten, um seine Crazy 8’s zu präsentieren. Auch die Crazy 8’s werden dann wieder gevoted.
Solution Sketch – Rapid Prototyping
Nun wird der für jeden beste Ansatz im Detail skizziert. Es ist in Ordnung, eine völlig neue Idee zu skizzieren oder eine Skizze aus einer Mischung von Ideen anderer Teilnehmer anzufertigen. Im Unterschied zu den Crazy 8’s geht es jetzt darum, eine detaillierte Skizze der Idee zu erstellen, die den anderen auf den ersten Blick den Lösungsansatz veranschaulicht.
Abschließend haben wir viele Ideen und Ansätze, nun gilt es eine Auswahl zu treffen. Denn nicht alle Ideen können als High Fidelity Prototyp umgesetzt werden. Ein erneutes Voting gibt die Richtung vor und im Anschluss wird von den Decidern ein Favorit oder die besten Ansätze aus unterschiedlichen Sketches gewählt. Es geht darum, welche Lösung sich am besten dazu eignet das Langzeitziel zu erreichen. Hierbei spricht man auch von Rapid Prototyping – einen schnellen Prototypen basierend am entwickelten Storyboard zu erstellen – dann hat man etwas Visuelles, Angreifbares, das man mit Usern testen kann und was auch sehr wichtig ist, an dessen Entstehen das gesamte Team beteiligt ist.
Sorgt für eine lockere, entspannte Atmosphäre.
Es ist ein kreativer Prozess – habt Spaß!
Dominik Widnig - Technical Lead bei Guid.New
Abschluss und weitere Schritte
An dieser Stelle haben wir unseren Testlauf beendet. In einem „realen“ Design Sprint Workshop würde nun die Phase der Evaluierung des Low Fidelity Prototypen durch den User-Repräsentanten folgen. Die Inputs aus diesem Schritt fließen dann in die Erstellung des High Fidelity Prototypen ein - hierzu empfehle ich die Anwendung von AdobeXD oder Figma für das Prototyping. Bevor dieser Prototyp dann den Usern vorgestellt wird, empfiehlt sich ein erneutes Review durch den oder die Decider (optimal ist an dieser Stelle ein erneutes Review aus technischer und Business-Sicht).
Für die nachfolgende Evaluierung des High Fidelity Prototypen lässt man beispielsweise zehn User den Prototypen nach vorgegebenen Kriterien testen und bewerten. Hat der User die gewünschte Aktion ausgeführt, wie lange hat er für die Ausführung der Handlung gebraucht? Neben der Funktionalität wird auch Feedback zum Design eingeholt, z.B. unter Einsatz einer Likert-Skala.
Fazit: Was bringt uns ein Design Sprint Workshop – Unsere Learnings
Gut, nun haben wir einen Design Sprint Workshop abgehalten. Aber was nehmen wir aus dem „Experiment“ für uns mit und wie können wir etwaige Learnings für zukünftige Projekte ein- und umsetzen?
Die zentralen Vorteile eines Design Sprints für ein Softwareprojekt liegen in der Zeitersparnis, dem Kosteneinsparungspotenzial und der Risikominimierung. Wir haben gelernt, wie man in kürzester Zeit ein komplexes Problem zu einem fokussierten Ziel herunterbrechen kann.
Die Ausarbeitung eines visuellen Prototypen macht die Konzeptidee greifbar und testbar. Risiko und Kosten werden gering gehalten und in kurzer Zeit erhält man messbare Ergebnisse.
Viele Sichtweisen und Diversität sind ein Vorteil für dein Projekt – lass ein interdisziplinäres Team an deiner Problemstellung arbeiten. Dazu kommt noch das Verständnis für die Wichtigkeit der Zusammenarbeit, es geht um Aufgeschlossenheit und Offenheit für unterschiedliche Denkansätze sowie die notwendige Empathie für den End-User.
Es ist wichtig eine geeignete Person als Facilitator zu wählen, der das Team souverän durch den Workshop führt. Jemand, der den Prozess anleitet, aber die Teilnehmer nicht beeinflusst oder in ihrer Kreativität einschränkt.
Nicht zu sehr am Ergebnis festkrallen – genießt den Prozess zur Lösungsfindung – der Design Sprint soll kein in Stein gemeißeltes Endergebnis liefern, der Output ist vielmehr ein Ausgangspunkt für alles Weitere.
Sorgt für eine lockere, entspannte Atmosphäre. Immerhin handelt es sich um einen kreativen Prozess, zwar unter Zeitdruck, weil in einem vorgegebenen Zeitrahmen, aber das Wichtigste dabei ist – habt Spaß!